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Brehms Thierleben

Niedere Tiere

Die Krebse

Dritte Ordnung: Die Asseln (Isopoda)

 

Die allgemeine Anordnung der Körpertheile der Asselkrebse ist derjenigen der Flohkrebse ähnlich. Ihr Kopf trägt ein Paar sitzende Augen, die sieben freien Brustringe tragen Beine von meist gleichem Aussehen, welche nur selten mit Scheren endigen. Die Ringe des Abdomen belaufen sich höchstens auf sechs, und ein wichtiges Kennzeichen aller Asseln, die sich übrigens fast alle auch durch ihren flach gedrückten Körper kenntlich machen, ist die Umwandlung der Beine des Nachleibes in Doppelplatten, welche als Athmungswerkzeuge dienen. Die Weibchen tragen an den Brustfüßen blattförmige Anhänge, welche eine Bruthöhle zur Aufnahme der Eier und der Jungen in den ersten Tagen nach dem Ausschlüpfen bilden. Die Jungen sind zwar den Alten ähnlich, haben jedoch noch nicht die volle Zahl der Körpersegmente und Gliedmaßen. In ihrer Gesammtheit gehören die Asseln zu den kleineren Krebsen, ihre mittlere Länge beträgt 13 bis 26 Millimeter. Sich auch besonders von in Fäulnis übergehenden Substanzen nährend, haben sie eine große Anpassungsfähigkeit an die verschiedenste Lebensweise entwickelt, indem sie im süßen und im salzigen Wasser, auf dem Lande, und zwar sowohl an feuchten wie an trockenen Orten, endlich zwar größtentheils frei, aber auch parasitisch auf anderen Krustern und Fischen vorkommen.
Die Familie der Landasseln (Oniscodea) ist unter anderen daran kenntlich, daß das letzte Afterfußpaar in Form von Griffeln beiderseits über den Hinterleib hervortritt.


Kellerassel (Porcellio). Vergrößert.

Aber auch ohne dies unterscheiden sie sich von den übrigen als Landbewohner, die sich meist an feuchten Orten, im Schatten von Mauern, unter großen Steinen, in Kellern und ähnlichen Orten aufhalten, wo sie als lichtscheue und einer dumpfen, mit Wasserdampf gesättigten Luft bedürftige Wesen sich behaglich fühlen.
Von ihren Afterfüßen ist nur das innere Blatt dünnhäutig und als Athemorgan dienlich, das äußere, von festerer Beschaffenheit, bildet über dem anderen einen schützenden, die Austrocknung verhindernden Deckel. Bei denjenigen Arten der Gattungen Oniscus, Armadillidium und anderen, welche an ganz trockenen, auch sonnigen Orten leben, scheint neben jener schwachen Kiemenathmung noch eine Art von Luftathmung stattzufinden, indem in dem vorderen Kiemendeckel sich fein verzweigte, luftführende Räume finden, welche durch Spalten sich nach außen öffnen sollen. Allgemein bekannt und von empfindsamen Seelen als ekelerregende Thiere betrachtet sind die Mauerassel (Oniscus murarius) und die Kellerassel (Oniscus scaber), welche, gleich den anderen Mitgliedern ihrer Gruppe, ihren flacheren Körper nicht zusammenkugeln können. Diese Fähigkeit besitzen die Rollasseln. Von diesen war besonders die gebräuchliche Rollassel (Armadillo officinarum) früher unter dem Namen »Millepedes« ein viel verschriebener, aber wohl nicht sehr wirksamer Artikel der Apotheken. Die Fälle, welche erzählt werden, daß nach dem Genusse von einigen Kellerwürmern die heftigsten Vergiftungserscheinungen aufgetreten seien, verdienen keinen Glauben, da, wie Martiny, der Verfasser einer Naturgeschichte der für die Heilkunde wichtigen Thiere, sagt, die unschuldigen Kellerwürmer in manchen Gegenden als Volksmittel in weit größerer Menge ohne alle schädlichen Folgen genossen werden.


Kugelassel (Sphaeroma). Vergrößert.

Von ihnen unterscheiden sich die Wasserasseln (Asellina) durch den gestreckteren Körper und Verkürzung der Ringe des Hinterleibes, mit Ausnahme des großen schildförmigen letzten. Ja, bei der gemeinen Wasserassel (Asellus aquaticus) besteht der ganze Hinterleib aus einem einzigen großen schildförmigen Segment. Das 13 Millimeter lange Thier findet sich überall in Teichen und Gräben. Die übrigen Gattungen der Wasserasseln leben alle im Meere. Eine der artenreichsten ist Idotea. Die meisten sind unschädlich und ohne wesentliche Bedeutung. Nur von einer einzigen Form, der 2 bis 4 1/2 Millimeter langen Limnoria terebrans, von den englischen Küsten, wird angegeben, daß sie durch Zernagen des unter Wasser befindlichen Holzwerkes sehr schädlich sei.

Die folgenden Familien kann man als Schwimmasseln zusammenfassen, indem die platten hinteren Afterfußpaare mit dem Endgliede des Körpers eine Flosse bilden. Unter ihnen sind allverbreitete, an den Küsten besonders der wärmeren Meere in unzählbaren Mengen vorkommende Thiere die Kugelasseln (Sphaeroma). Die Kugelassel der europäischen Küsten (Sphaeroma serratum) findet sich überall an steinigen Ufern auf der Wassergrenze. Sie lebt gesellig unter den Steinen und rollt sich bei der Berührung ein. Sie gewöhnt sich auch an das brackige Wasser, und ich habe sie bei dem Uebergange der Kerka in die allmählich zum Meere werdende Bucht bei Sebenico in Dalmatien in einem kaum einen salzigen Beigeschmack zeigenden Wasser angetroffen. Auch unter den blinden Bewohnern der Gewässer in den Krainer Höhlen befindet sich eine Kugelassel (Monolistra coeca).
Die nächste Familie, die der Fischasseln (Cymothoadae), besteht vorzugsweise aus Arten, welche auf der Haut oder den Kiemen der Fische schmarotzen. Der kleine Kopf und die entweder nur an den drei ersten oder an allen Paaren der Beine befindlichen großen Klauen zeichnen sie vor der vorigen Familie aus. Zu ihnen zählen die größten Asseln, 5 Centimeter lang und darüber.


Weibchen der Praniza, etwas vergrößert.

Eine merkwürdige Verkümmerung und eine höchst auffallende äußere Geschlechtsverschiedenheit tritt bei den Garneelasseln (Bopyrini) ein, Asseln, welche vorzugsweise in der Kiemenhöhle der Garneelen, nach meinen Beobachtungen auch, wiewohl selten, der Porcellanen schmarotzen. Man erkennt das Dasein der unbequemen Gäste an der beulenartigen Auftreibung des Kopfbruststückes. Diese wird nur durch die ihren Gatten sehr überlegenen Weibchen hervorgebracht, welche, nachdem sie sich festgesetzt, in die Breite anschwellen und bis zur Unkenntlichkeit sich aufblähen und alle Symmetrie verlieren. Die viel kleineren Männchen, welche ganz zierlich gegliedert bleiben, schlagen ihren Wohnsitz an der Unterseite der Weibchen auf.
Eine bei den angeführten Familien der Asseln nicht gut systematisch unterzubringende, aber in ihre Nähe gehörige Gattung, Praniza, gleicht durch die Verschmelzung der Brustringe mit dem Kopfe und in ihrem ganzen Aussehen den Zehnfüßern, hat aber unter anderem die sitzenden Augen der Asseln und mag uns dazu dienen, die Beispiele der unglaublichen Variabilität des Krebstypus zu vermehren. Während seiner Jugendperiode, wo das Thier einen kleinen Kopf, große Augen und einen Saugrüssel besitzt, lebt es parasitisch auf verschiedenen Seefischen. In diesem Zustande verharrt das Weibchen, über welches sich das Männchen durch einen kolossalen viereckigen Kopf und mächtige Oberkiefer erhebt. Das Aussehen des Männchens ist so verschieden von dem des Weibchens, daß jenes bis in die neuere Zeit als eine besondere Gattung, Anceus, betrachtet wurde.


Männchen der Praniza, etwas vergrößert.

Den Abschnitt über die Asseln weiß ich nicht besser zu beschließen, als mit Anführung einer Beobachtung meines Freundes Fritz Müller. Dieselbe befindet sich in seinem geistreichen Buche »für Darwin« und bezieht sich auf das Vorhandensein zweier Formen von Männchen für eine einzige Art Weibchen. Es ist eine mit Scheren versehene Assel der Gattung Tanais, welche von den Systematikern in die Nähe der gemeinen Wasserassel gebracht wird. Er macht im Eingange seiner Darstellung der merkwürdigen Zweimännerschaft darauf aufmerksam, daß, wo bei den Krustern hand- oder schienenförmige Bildungen vorkommen, dieselben bei den Männchen überhaupt stärker als bei den Weibchen entwickelt zu sein pflegen und bei ihnen oft zu ganz unverhältnismäßiger Größe anschwellen. Die Winkerkrabbe (Gelasimus) hat uns oben ein Beispiel dafür geliefert. »Eine zweite Eigenthümlichkeit der Krustermännchen«, sagt Fr. Müller weiter, »besteht nicht selten in einer reichlichen Entwickelung zarter Fäden an der Geisel der vorderen Fühler«, welche man jetzt mit Müller und anderen Autoritäten für Geruchs- oder höchst feine Tastorgane hält, eine Ansicht, in welcher man durch die Thatsache bestärkt wird, »daß auch sonst ja die männlichen Thiere nicht selten durch den Geruch beim Aufspüren der Weibchen geleitet werden.
Bei unserer Scherenassel nun gleichen die jungen Männchen bis zur letzten, der Geschlechtsreife vorausgehenden Häutung den Weibchen; dann aber erleiden sie eine bedeutende Verwandlung. - Was dabei das Merkwürdigste ist, sie erscheinen nun unter zwei verschiedenen Gestalten. Die einen bekommen gewaltige, langfingerige, recht bewegliche Scheren und statt des einzigen Riechfadens der Weibchen deren zwölf bis siebzehn, die zu zwei bis drei an den Gliedern der Fühlergeisel stehen; die anderen behalten die plumpe Scherenform der Weibchen, dafür aber sind ihre Fühler mit weit zahlreicheren Riechfäden ausgerüstet, die zu fünf bis sieben beisammen stehen.
Es war natürlich, daran zu denken, ob nicht etwa zwei verschiedene Arten mit sehr ähnlichen Weibchen und mehr verschiedenen Männchen zusammen lebten, oder ob nicht die Männchen, statt in zwei scharf geschiedenen Formen aufzutreten, nur innerhalb sehr weiter Grenzen veränderlich wären. Ich kann weder das eine noch das andere annehmen. Unsere Scherenassel lebt zwischen dicht verfilzten Wasserfäden, die einen etwa zolldicken Ueberzug auf Steinen in der Nähe des Ufers bilden. Bringt man eine Hand voll dieses grünen Filzes in ein größeres Glas mit reinem Seewasser, so sieht man bald seine Wände sich mit Hunderten, ja Tausenden dieser kleinen plumpen weißlichen Asseln bedecken. So habe ich mit der einfachen Lupe manches Tausend, und ich habe mit dem Mikroskope viele Hunderte durchgemustert, aber ich habe keine Verschiedenheiten unter den Weibchen und keine Zwischenformen zwischen den zweierlei Männchen auffinden können.«
Wie unser Landsmann in Brasilien die verschiedene Ausbildung der »Packer« und der »Riecher« zu erklären und zu Gunsten der Darwin'schen Theorie zu verwenden sucht, müssen wir an dieser Stelle weiter mitzutheilen uns versagen.

 

[Niedere Thiere: Die Krebse, S. 112 ff.Digitale Bibliothek Band 76: Brehms Tierleben, S. 17582 (vgl. Brehm-TL Bd. 10, S. 37 ff.)]